Fast alle von uns haben sich gefragt, wie sich der Fachkräftemangel in Europa auf die Technologielandschaft auswirkt. Unser Blogbeitrag "Fachkräftemangel wächst in Europa: Neue Fallstudie 2024" zeigt aufschlussreiche Trends und Strategien, die Sie nicht verpassen sollten.
Und das ist noch nicht alles!
Wir hatten die Gelegenheit, mit Rebecca von Helvetia, einem der führenden Versicherungsunternehmen der Schweiz, zu sprechen, um Einblicke zu gewinnen, wie sie diese Herausforderung angehen.
Rebecca, die einen starken Hintergrund in HR und Personalentwicklung hat, teilte wertvolle Perspektiven zu den Strategien, die Helvetia einsetzt, um Kompetenzlücken zu managen und kontinuierliches Lernen in ihrer IT-Abteilung zu fördern.
Wichtige Erkenntnisse:
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Unternehmen investieren zunehmend in die Schulung von Mitarbeitern, um die wachsende Qualifikationslücke zu schließen und Talente zu halten, wobei der Schwerpunkt auf Bereichen wie Lösungsarchitektur und Anforderungsmanagement liegt.
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Es gibt Bestrebungen, eine Kultur des kontinuierlichen Lernens durch zugängliche Plattformen und fest eingeplante Lernzeiten zu fördern, die in die regulären Arbeitszeiten integriert sind.
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Die Sicherstellung, dass neu erworbene Fähigkeiten effektiv am Arbeitsplatz angewendet werden, bleibt eine Herausforderung, die oft von unterschiedlichen Teamdynamiken und Projektanforderungen beeinflusst wird.
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Verschiedene Generationen zeigen unterschiedliche Einstellungen zur Weiterbildung, wobei jüngere Mitarbeiter im Allgemeinen motivierter sind und Unternehmen sich anpassen, um diesen vielfältigen Bedürfnissen gerecht zu werden.
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Erwartete Veränderungen in den Arbeitsdynamiken bis 2035 beinhalten eine größere Rolle der KI, die die Art und Weise, wie und wann Arbeit durchgeführt wird, verändern könnte, sowie potenzielle Fortschritte bei technologischen Werkzeugen.
Sie können das vollständige Gespräch sogar in unserem Podcast anhören.
Interview Tecnovy X Helvetia
Clara (Business Developerin bei Tectrain):
Bevor wir uns mit der Thematik genauer beschäftigen, würde ich mich über einige allgemeinere Informationen freuen. Könntest du dich kurz vorstellen? Was genau macht die Helvetia und seit wann bist du Teil des Unternehmens?
Rebecca (Projektleiterin / Personal- & Organisationsentwicklung bei Helvetia):
Das mache ich gerne. Mein Name ist Rebecca, und ich lebe in Basel, Schweiz. Ich arbeite bei der Helvetia in Basel. Möglicherweise ist dir Helvetia ein Begriff, aber für den Fall, dass nicht: In der Schweiz ist sie eine der führenden Versicherungsgesellschaften und bietet eine breite Palette von Versicherungen an, von Lebensversicherungen bis hin zu Sachversicherungen wie Autoversicherungen, Kunstversicherungen und Tier- Versicherungen – es gibt so ziemlich alles bei uns.
Ich bin seit etwas mehr als 4 Jahren bei Helvetia beschäftigt. Mein beruflicher Hintergrund liegt hauptsächlich im HR-Bereich. Vor meiner Zeit bei Helvetia habe ich über 10 Jahre lang in der klassischen HR-Funktion für ein Unternehmen im Medizintechnikbereich gearbeitet.
Seit meiner Zeit bei Helvetia bin ich Teil eines Teams, das sich speziell mit der Personalentwicklung, dem Skill-Management und Kommunikationsthemen in der IT- Abteilung befasst. Mit meinem HR-Hintergrund liegt mein besonderer Fokus seit etwa 4 Jahren auf dem intensiven Skill-Management. Zudem war ich in den letzten eineinhalb Jahren als Projektleiterin für ein Aufbauprojekt verantwortlich. Hier ging es darum, interne Angebote zum Lernen und Weiterbilden aufzubauen und diese kontinuierlich weiterzuentwickeln.
In diesem Rahmen kümmern wir uns nicht nur um die inhaltlichen Aspekte der Lernangebote, sondern auch darum, eine Lernkultur in unserer IT-Abteilung zu fördern. Gerne erzähle ich dir im Laufe des Interviews mehr darüber, wie wir das Umsetzen.
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Clara: Du hast es bereits erwähnt, dass ihr besonders die IT Academy nutzt. Was waren die anfänglichen Faktoren, die dazu geführt haben, dass ihr euch entschieden habt, in eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren und sie weiterzubilden? Hat der Fachkräftemangel dabei eine Rolle gespielt?
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Rebecca: Ja, der Fachkräftemangel hat definitiv eine Rolle gespielt, und das war auch der Auslöser dafür, dass wir gezielt nach Solution Architektur Kursen und Requirements Engineering Kursen gesucht haben und so auf Tecnovy gestoßen sind. Der starke Fachkräftemangel ist natürlich ein großer Faktor, der auch bei uns spürbar ist.
Im Laufe der Zeit haben wir erkannt, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterbilden müssen, um sie langfristig an uns zu binden. Deshalb investieren wir auch finanziell in ihre Weiterbildung.
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Clara: Wie läuft das dann konkret ab? Erhalten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in dem Bereich tätig sind, jährlich diese Ausbildung, oder wie entscheidet ihr, wer die Weiterbildung in einem bestimmten Jahr machen kann?
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Rebecca: Das ist unterschiedlich. Für das Solution Architektur Thema, das ich angesprochen habe, also die ISAQB- Kurse, haben wir vor 2 Jahren beispielsweise alle Solution Architekten durch diese Kurse geschleust. Das war oder ist auch verpflichtend für jeden Solution Architekten, den Foundation Level Kurs zu absolvieren. Für andere Themen wie Requirements Engineering oder auch ITIL bieten wir die Kurse an, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich anmelden, wenn Bedarf besteht. Jährliche Mitarbeitergespräche dienen als Entwicklungsgespräche, in denen wir jeden Mitarbeiter ermutigen, mit seiner Führungskraft seine persönliche Entwicklung zu besprechen. Dabei werden auch die Weiterbildungsmöglichkeiten aus unserem internen Katalog besprochen, zu dem auch die Tectrain-Kurse gehören.
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Clara: Gibt es eine Mindestanzahl an Weiterbildungsmöglichkeiten, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Jahr absolvieren müssen?
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Rebecca: Bisher haben wir noch keine konkreten Regelungen, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Weiterbildungen je nach Bedarf wählen.
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Clara: Wie ist die Rückmeldung dazu? Hast du den Eindruck, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne an Weiterbildungen teilnehmen oder ist es eher etwas, was noch gemacht werden muss?
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Rebecca: Ich denke, es gibt beides, was in den letzten Jahren deutlicher zum Vorschein kam. Bei Helvetia waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewohnt, alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen und konnten dann aus den angebotenen Weiterbildungen auswählen. Wir haben versucht, eine Lernkultur zu fördern, sodass die Leute nun auch selbst aktiv nach spezifischen Kursen fragen. Man spürt hier definitiv eine Veränderung. Generell ist es so, dass sich die Leute gerne weiterbilden, aber manchmal fehlt ihnen einfach die Zeit – da liegt vielleicht auch ein anderes Thema begraben. Allerdings gibt es bei uns in der Helvetia derzeit keine festgesetzte Lernzeit. Die Weiterbildung muss in den Arbeitsalltag integriert werden, was einigen Mitarbeitenden schwerer fällt als anderen.
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Clara: Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, einen dedizierten Raum für Lernzeit zu schaffen?
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Rebecca: Auf jeden Fall! Vor zwei Jahren haben wir in der IT ein Experiment gemacht, bei dem wir jedem Mitarbeiter einen Tag pro Monat zur Verfügung gestellt haben, den sie auch auf Stunden über den Monat verteilen konnten. Das wurde sehr gut angenommen, obwohl es für einige schwierig war, die Zeit für sich zu planen. Allerdings konnten wir in der IT-Abteilung alleine keine Lernzeit einführen, da unsere IT-Mitarbeiterinnen und - Mitarbeiter in unterschiedlichen Projekten tätig sind, die auch fachübergreifend involviert sind. Andere Abteilungen hätten dann keine solche Lernzeit. Doch wir haben das Thema dem HR vorgebracht, und es wurde in der Geschäftsleitung als Thema aufgenommen. Jetzt wird darüber nachgedacht, wie eine solche Lernzeit umgesetzt werden kann. Obwohl es bisher noch nicht umgesetzt wurde, kommen wir dem Ziel näher.
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Clara: Eine dedizierte Lernzeit würde solche Weiterbildungsmöglichkeiten vermutlich noch attraktiver machen, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann nicht das Gefühl haben, alles andere liegen lassen zu müssen. Merkt ihr bereits Erfolge oder dass die Mitarbeiter teilweise effektiver arbeiten und die erlernten Skills anwenden können?
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Rebecca: Ja, das hängt stark vom Team ab. Einige Teams sind bereits weiter fortgeschritten als andere.
Es kommt sehr auf die Führungskräfte an, die diese Kultur vorleben und Raum dafür schaffen müssen.
Es gibt bereits einige Vorzeigebeispiele bei uns in der IT. Allerdings ist es schwierig zu messen, wie erfolgreich die erlernten Fähigkeiten in der Praxis angewendet werden können. Wir führen nach jedem Kurs Umfragen durch, und im Allgemeinen fallen die Rückmeldungen nicht schlecht aus, aber es gibt definitiv noch Verbesserungspotenzial. Oft dauert es eine Weile, bis die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die erlernten Fähigkeiten in der Praxis anwenden können, und manchmal gerät das Wissen in Vergessenheit. Hier müssen wir uns weiter verbessern.
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Clara: Das haben wir auch in unserer aktuellen Studie thematisiert, dass es wenig Sinn macht, alle zwei Jahre vereinzelt eine Fortbildung zu besuchen, sondern einzig kontinuierliches Lernen zum Erfolg führt.
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Rebecca: Genau, für dieses Thema "kontinuierliches Lernen" nutzen wir beispielsweise die Plattform O'Reilly. Sie bietet 60.000 Lerninhalte mit Fokus auf IT von renommierten Verlagen, Büchern und Experten. Auf dieser Plattform werden Trainings angeboten, aber auch die Möglichkeit gegeben, online Bücher zu lesen, Reports, Studien und vieles mehr. Viele Mitarbeiterinnen finden es attraktiv, selbst Dinge auszuprobieren, zum Beispiel das Coden, nach dem Prinzip "Learning by doing". Jeder Mitarbeiter erhält bei Bedarf einen eigenen Zugang zur Plattform, und die IT-Abteilung übernimmt die Kosten für die Lizenzen. Somit können die Mitarbeiter wirklich von morgens bis abends lernen. Wir haben diese Plattform vor etwa zwei Jahren eingeführt, und die hohe Nachfrage zeigt, dass das Interesse definitiv vorhanden ist. Viele Mitarbeiterinnen nutzen die Plattform aktiv.
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Clara: Gibt es neben diesem Angebot noch weitere Maßnahmen, die zur Mitarbeiterbindung beitragen sollen?
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Rebecca: Ja, neben der IT Academy bieten wir auch Maßnahmen zur Förderung der Lernkultur und des Wissensaustauschs an. Ein wichtiger Bestandteil ist unser Mentoring- und Coaching-Programm.
Das Mentoring-Programm richtet sich an Mitarbeitende, die sich persönlich und beruflich langfristig weiterentwickeln möchten, darunter auch neue Führungskräfte oder neu eingestellte Mitarbeiterinnen. Hier wird ein Mentor zugewiesen oder ausgesucht, und die IT bestätigt das Match. Die Begleitung dauert in der Regel ein bis drei Jahre und konzentriert sich sowohl auf die persönliche als auch die berufliche Weiterentwicklung und die Förderung von Soft Skills.
Dann haben wir das Coaching-Programm, das eher auf fachliches Coaching ausgerichtet ist und manchmal kurzfristig eingesetzt wird (1-3 Monate). Hier stehen individuelle Mitarbeiter oder auch Teams oder Projektteams im Fokus, und ein fachlicher Coach unterstützt sie dabei, spezifische berufliche Fragestellungen zu lösen und die Fähigkeiten zu entwickeln, um künftig selbst Lösungen zu finden.Das Mentoring wird etwas häufiger genutzt als das Coaching, da wir das Coaching noch bekannter machen müssen. Der Nutzen wird noch nicht vollständig erkannt.
Darüber hinaus bin ich besonders stolz darauf, dass wir bei der IT regelmäßig Lern-Events organisieren. Diese reichen von virtuellen einstündigen Learning-Sessions, bei denen interne oder externe Referenten über ein Thema sprechen, bis zu ganztägigen Events vor Ort,
bei denen wir in einer tollen Location außerhalb unserer Büros Räume buchen. Und dann veranstalten wir Events nach dem Open Space Format.
Die Idee war am Anfang dass Mitarbeitende für mitarbeitende Sessions anbieten - es kann ein Vortrag sein es kann aber auch eine Fragestellung sein die man gemeinsam bearbeiten will es kann einen Workshop Sein - das Format ist frei wählbar und dann kann man sich melden wenn man ein Thema hat und dann die Zuschauer quasi können sich dann aussuchen an welchen Session sie teilnehmen wollen dann gibt es parallele Session also ein oder ein bis 3 Slots und da am ganzen Nachmittag haben wir als Teilnehmer vielleicht 3 oder 4 Sessions besucht.
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Clara: Und das macht ihr dann aber auch während der Arbeitszeit?
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Rebecca: Ja, diese Lern-Events zählen ganz normal zur Arbeitszeit als Weiterbildung. Die Veranstaltungen ermöglichen einen Wissensaustausch, Networking und die Möglichkeit, von Experten zu den verschiedenen Themen zu lernen, sowohl von internen Kollegen als auch externen Referenten. Pro Session gibt es ein bis zwei externe Speaker, die über aktuelle oder zukünftige Themen sprechen. Bei unserem letzten Event hatten wir beispielsweise einen Speaker von Microsoft, der über das Thema Lernkultur bei Microsoft sprach.
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Clara: Also lernen Unternehmen auch voneinander.
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Rebecca: Ganz genau, wir haben festgestellt, dass Unternehmen trotz unterschiedlicher Fortschritte in diesem Bereich oft ähnliche Grundlagen haben.
Es war auch interessant zu sehen, dass es individuelle Unterschiede zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt, wie sie das Thema Weiterbildung angehen. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr motiviert, sich weiterzubilden, während andere lieber auf Weiterbildungen verzichten und sich auf ihre Arbeit konzentrieren möchten.
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Clara: Die Unterschiede, ob und in welchem Maße man auf Weiterbildung setzt, sind vermutlich erst langfristig bemerkbar, da der Fachkräftemangel eine Realität ist und man frühzeitig gegensteuern muss. Wie war das während Corona? Hat sich da irgendetwas verändert? Habt ihr gemerkt, dass vielleicht die Mitarbeiterzufriedenheit gesunken ist?
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Rebecca: Es gab firmenweite Umfragen, die auch spezifisch auf das Thema Mitarbeiterzufriedenheit abzielten. Allerdings haben wir von der IT-Abteilung spezifisch zu diesem Thema keine Umfragen durchgeführt, daher kann ich darauf nicht direkt antworten. Ich denke, was Weiterbildungen betrifft, haben wir während der Corona-Pandemie weniger Einschränkungen verspürt, da wir unsere physischen Kurse recht spontan und virtuell umgestalten konnten und so mit der Ausbildung wie gewohnt fortfahren konnten.
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Clara: Das sind ja erfreuliche Nachrichten, dass ihr gut durch diese Zeit gekommen seid. Und sonst generell, wir leben ja in einer Zeit des ständigen Wandels, und Anfang des Jahres gab es plötzlich Chat-GPT. Hat das Einfluss auf eure Arbeitsweise genommen?
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Rebecca: Auf jeden Fall, ich merke das schon in unserem Team und auch bei mir. Man fragt schnell Chat-GPT und passt dann die Antworten an, die es ausgibt. Es ist einerseits hilfreich, aber andererseits besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr auf diese schnelle Lösung verlässt. Wir setzen weiterhin darauf, dass wir uns auf normale Weise aus- und weiterbilden.
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Clara: Genau, das denken wir auch, dass man eine gute Balance finden und Chat-GPT besser integrieren sollte, anstatt es komplett zu ersetzen.
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Rebecca: Ja, genau. Zum aktuellen Zeitpunkt merken wir noch nicht so viel Einfluss, aber vielleicht müssen wir noch ein halbes Jahr warten und dann sehen, wie es aussieht.
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Clara: Gibt es interne Gespräche und Ängste darüber, wie sich der Arbeitsalltag in Zukunft verändern könnte?
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Rebecca: Wir haben jetzt zum Beispiel auch eine Lernsession wo wir gerade dieses Thema eigentlich aufgreifen z.B. AI und Nachhaltigkeit das kommt jetzt diese Woche wo sich auch einige von unserem Mitarbeiter angemeldet haben und ja dann lernen wir über diesen Aspekt. Jetzt konkret Kurse oder Angebote die das Ziel haben, haben wir noch nicht aber wäre vielleicht eine gute Idee.
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Clara: Rechnet ihr damit, dass Künstliche Intelligenz das Problem des Fachkräftemangels mildern könnte? Denkt ihr darüber nach, Stellen zu kürzen, nur weil es jetzt wachsende KI gibt?
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Rebecca: Im Moment ist das bei uns noch kein Thema.
In der Privatwirtschaft kann es manchmal schnell zu Umstrukturierungen kommen, aber von unserer Geschäftsleitung wurde spezifisch betont, dass die Einführung von Chat-GPT in den Kundenservice- Prozessen nicht bedeutet, dass Stellen gekürzt werden. Was in 2-3 Jahren sein wird, ist schwer zu sagen.
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Clara: Hast du den Eindruck, dass das unter den Mitarbeitern ein Thema ist und dass sie Ängste haben, durch KI ersetzt zu werden?
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Rebecca: Ja, das glaube ich schon. Am Anfang hatten wir ein großes Projekt, das ein wenig undercover mit Chat-GPT lief oder an dem wir gearbeitet haben, und nur ein kleiner Teil der Firma wusste davon. Als es dann eingeführt wurde, war die erste Reaktion: "Oh cool, Helvetia ist Vorreiter und setzt Chat-GPT ein", aber gleichzeitig auch: "Okay, was bedeutet das?" Daraufhin hat die Geschäftsleitung einen Newsletter an alle Mitarbeiter herausgebracht, in dem sie betonte, dass sie sich keine Sorgen um ihre Stellen machen müssen und dass das Unternehmen einen anderen Fokus hat. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass wir möglicherweise neue Fähigkeiten erwerben müssen.
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Clara: Glaubst du, dass es Unterschiede zwischen den verschiedenen Generationen gibt, auch in Bezug auf Weiterbildung?
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Rebecca: Ja, das ist definitiv eine wichtige Frage. In unserer IT-Abteilung haben wir etwa 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und das Durchschnittsalter liegt bei 50 plus. Ich denke, das hängt auch mit der Versicherungsbranche zusammen, in der viele langjährige Mitarbeiter kurz vor der Pensionierung stehen. Bei diesen Mitarbeitern merken wir oft, dass sie sich nicht mehr so intensiv weiterbilden möchten. Hier setzen wir auf Programme wie Mentoring und Coaching, um Wissen weiterzugeben. Es ist schwierig, denn nicht alle möchten Zeit dafür investieren, aber das ist unser Fokus bei den älteren Generationen. Bei den jüngeren Mitarbeitern ist das Lernen selbstverständlich, sie sind motiviert und sehen den Nutzen darin.
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Clara: Es werden verschiedenen Generationen verschiedene Attribute zugeschrieben, zum Beispiel wird die Generation Z gerne als arbeitsfaul und egoistisch bezeichnet, während die Baby Boomer als technologieskeptisch gelten. Wie sind deine Erfahrungen dazu?
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Rebecca: Ja, das merken wir auch. Es fängt bereits bei der Einstellung an. Wir sehen, dass die Generationen Z und Y bei der Rekrutierung andere Anforderungen haben.
Heutzutage klingt es eher nach: "Das sind meine Forderungen, und wenn das Unternehmen nicht darauf eingehen kann, bewerbe ich mich eben woanders."
Das Thema Weiterbildung, persönliche Weiterentwicklung und Work-Life-Balance stehen dabei im Fokus. Das sind die Dinge, die mir besonders auffallen, und wenn wir als Unternehmen das nicht bieten können, haben wir wenig Chancen, jüngere Generationen anzuziehen.
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Clara: Hast du das Gefühl, dass die Unternehmen die Bewerberinnen anwerben müssen oder umgekehrt?
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Rebecca: Ja, ich denke schon. Wir sind generell noch in einer guten Position, weil Helvetia in der Schweiz einen sehr großen Namen hat und als guter Arbeitgeber bekannt ist. Allerdings kann das Unternehmen auch ein wenig traditionell und verstaubt wirken, was junge IT- Fachkräfte weniger anspricht. Deshalb versucht Helvetia Kampagnen zu machen, um gerade diese neue Generation anzusprechen. Ich arbeite selbst nicht in der Rekrutierung, daher bin ich mir nicht sicher, aber es wird wahrscheinlich viel unternommen, um junge Leute aktiv anzusprechen. Es hat definitiv einen Wandel gegeben, und die Firma muss Bewerberinnen anwerben und nicht umgekehrt.
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Clara: Und wie steht es um den Aspekt der Work-Life-Balance? Habt ihr besondere Maßnahmen wie Home Office oder flexible Arbeitszeiten?
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Rebecca: In Bezug auf die Work-Life-Balance hat Helvetia laut einer firmenweiten Umfrage, die vor zwei Monaten durchgeführt wurde, sehr gut abgeschnitten. Wir haben gute Möglichkeiten für Home Office, und es gibt von der Firma keine strikten Vorgaben bezüglich der Bürozeiten. Jeder Teamleiter wird ermutigt, flexibel zu sein. Darüber hinaus bieten wir interne Angebote wie Work-Life- Balance-Kurse, eLearning, sportliche Aktivitäten während der Mittagspause, Achtsamkeitstraining und vieles mehr im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
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Clara: Und jetzt eine letzte Frage: Aus deinem eigenen Gefühl heraus, wie denkst du, wird der typische Arbeitsalltag im Jahr 2035 aussehen?
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Rebecca: Das ist in 10 Jahren. Nun, ich bin selbst gespannt, aber ich glaube, dass Künstliche Intelligenz einen größeren Raum einnehmen wird und dass sich der Arbeitsstil stark verändern wird. Ich habe das Gefühl, dass sich auch die Arbeitszeiten ändern werden, vielleicht hat jeder die Freiheit zu entscheiden, wann, wie und wo er arbeiten möchte. Es könnte sein, dass wir mehr aneinander vorbeiarbeiten, und das wird eine Herausforderung sein, um alle zusammenzubringen. Ich glaube, dieses Thema wird immer größer werden. Wahrscheinlich werden wir auch keine Laptops mehr haben, vielleicht haben wir dann etwas völlig anderes, vielleicht nur noch unser Handy oder einen Chip. Ich denke, besonders die Technologie wird sich drastisch verändern, und ich bin sehr gespannt darauf.